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Von Wales über Venedig in den Wiener Prater: „Asphaltschwüle“ von Christl Greller

Sie gehört – laut Ö1 – zu den stillen Größen der österreichischen Lyrikszene.  Christl Greller ist jedoch mehr als eine stille Größe: Sie ist brillante Erzählerin, konsequente Lyrikerin und eine Spracharbeiterin im besten Sinne des Wortes, die sich nicht dafür scheut Wörter zu verwenden, die so gar nicht mehr modern zu sein scheinen. Während Ihrer Lesung „Asphaltschwüle“ am vergangenen Freitag (22. Juli) im read!!ing room bewies Greller ihre Sprachkunst. Vor zwei Jahren erfrischte Greller die Zuhörer/innen in Margareten noch mit Eis- und Wintergedichten. Heuer konzentrierte sie sich auf Sommer- und Wiengedichte, sowie auf zwei bereits veröffentlichte Erzählungen. In drei Lyrikblöcken führte Greller pointiert ins sommerliche Wien – und sorgte sogar für heitere Momente,  als sie die Stille der Innenstadt dem lauten Donausinselfest gegenüberstellte oder den klassischen Pferdegeruch der Fiaker rund um den Stephansplatz erwähnte.

Von Wien nach Wales

Der erste Erzählblock führte die Zuhörer/innen nach Wales. Greller malte mit präzisen Pinselstrichen eine Kleinstadt, die von der Abwanderung der einheimischen Bevölkerung heimgesucht worden war. Durch die äußerst genauen Beschreibungen der Wohnhäuser, der Nachbarschaft, der Enge der Flure und nicht zuletzt des Küchenfensters, das von billigen Regalen eingerahmt worden war, entstand eine unglaubliche Spannung.  Die Handlung an sich blieb sehr reduziert: Eine Frau, alleine in einer Stadt, in einer neuen Wohnung, ließ sich von einem mit Tulpen bedruckten Vorhang des Vis-à-Vis-Fensters derart verunsichern, dass sie es nicht mehr wagt in ihre Küche zu gehen. Die merkwürdig „menschenarme“ Erzählung und das daraus resultierende Gefühl der Einsamkeit wurde von den zahlreichen personifizierenden charakterisierenden Beiwörtern noch weiter verstärkt. Langsam wuchsen das Grätzl und das „schmalbrüstige“ Wohnhaus zu einer eigenen Person heran, die sämtlichen Mut aus der Protagonistin saugte und diese in vollkommener Panik zurückließ. Spätestens seit Hitchcocks „Das Fenster zum Hof“ oder „Das geheime Fenster“ (mit Johnny Depp und John Turturro) wissen wir, dass Fenster alles andere als harmlos sein können.

Venedig und der Wiener Prater

In weiteren Gedichten führte Christl Greller das Publikum von Wales nach Venedig. Viele der Gedichte sind im Band „stadtseelenland“, der im Resistenz-Verlag erschien, versammelt. Greller streifte nicht nur das touristische Venedig („in der budenmenge, gaffermenge…“), sondern bewies, dass sie Metaphern auch konsequent über das einzelne Gedicht hinaus verarbeiten kann. In Venedig betonte sie das Farbenspiel des Meeres durch verschiedene Glasmetaphern.

Der zweite Erzähltext des Abends führte die Zuhörer/innen zurück nach Wien und in die Vergangenheit des Wiener Praters, als die dort dargebotenen Nacktattraktionen die Herzen von zarten Jünglingen, die erste Haare an Kinn und Brust ihr eigen nennen durften, in die Hose rutschen ließen. Dass bereits im alten ehrwürdigen Prater die Erotik mehr Schein als Sein war, erzählte Greller in einer sehr amüsanten Erzählung.

Greller schloss mit Lyrik. Unter den vielen schönen Gedichten, die Christl Greller las, möchte ich „fremdenzimmer“ erwähnen. Dieses Gedicht, das nicht nur ein wunderbares „Sommergedicht“ ist, wurde auch im Rahmen der Schirm-Gedichte (eine Koproduktion von Ö1 und Teletext) präsentiert. (Link)

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