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Eine Kindheit im Wien der 40er und 50er Jahre

Maria Gornikiewicz legt ihr neues Buch vor

Der Titel ist in diesem Fall keineswegs Programm. Auferstehung hat weder einen religiösen Touch noch handelt es sich um eine Heilsbotschaft in einem anderen Sinne. Auch wenn Maria Gornikiewicz in einem ihrer letzten Bücher sich mit dem Allmächtigen mehr oder weniger anlegte und in bester Don-Camillo-Art das Zwiegespräch mit Gott fand („Valerie wird fromm“) so ist die „Auferstehung“ im neuesten Buch der Favoritner Autorin ganz persönlicher Natur.

Keine Great-White-Men-History

„Auferstehung“ besteht eigentlich aus mehreren Texten oder Erzählsträngen, wenn man so will. Das etwas Fragmentarische und Diffuse ist gewollt. Zweifelsohne wirkt der Text auf den ersten Blick etwas zusammen gestoppelt. Aber das hat schon alles seinen Grund. Maria Gornikiewicz legt mit „Auferstehung“, das heuer in der Edition Libica erschien, keine Autobiographie im herkömmlichen Sinn vor. Es handelt sich schon gar nicht um eine klassische Erinnerungsaufzeichnung im Stile der großen Weiße-Männer-Rückblicke.

Vielmehr könnte man das Buch auch in Themenwahl, Aufbau und Gestaltung auch als bewussten Gegenentwurf der „Great-White-Men-History“-Gattung deklarieren. Erinnerungen an das Wien der 40er und 50er Jahre Der Haupttext schildert die Zeiten vor und nach dem 2. Weltkrieg in Wien und macht damit ein Stück Geschichte lebendig. Dabei schildert Gornikiewicz aus unterschiedlichen Perspektiven ihre Erlebnisse in Wien über das persönliche Erleben hinaus. Es entsteht Pinselstrich um Pinselstrich, Gedankeneinheit um Gedankeneinheit, ein kleines Porträt einer kindlichen Lebenswelt der 1940er und 1950er Jahre in Wien.

Wien der 40er und 50er Jahre

„Auferstehung“ wird somit nicht nur der Bericht einer älteren Frau auf ihre Kindheit, sondern auf der zweiten Ebene ein Bildausschnitt auf ein Wien, das es mittlerweile schon lange nicht mehr gibt. Auf einer dritten Ebene ist das Buch ein Stück Familien- und Frauengeschichte. Die Autorin wurde weitgehend von ihrer Großmutter aufgezogen. Ihre Mutter war alleinerziehend. Gerade in der aktuellen Pandemie, in der man aus feministischer Sicht einen Backlash in die 50er Jahre befürchtet, ist das Buch sehr interessant und ein spannendes Zeugnis.

Das mit einem reichen Bildteil ausgestattete Buch kann auch deshalb als Gegenentwurf zur klassischen Autobiografie gewertet werden, da die Autorin die Kindheit nicht als Ausgangspunkt für eine spätere Erfolgsstory darstellt, sondern der eigenen Kindheit weitgehend Platz einräumt. Bemerkenswert ist auch der Stil. Die Autorin macht die historische Dimension der (eigenen) Sprache sichtbar, indem sie in ihren Text Kindersprüche und Auszählreime eingeflochten hat.

Einige dieser Sprachschichten sind heute nicht mehr gebräuchlich. Dem Haupttext vorangestellt sind zwei Abschnitte, in denen sich die Autorin mit humorvollen Gedanken- und Wortspielen auf die Suche nach einem möglichen Zauberwort begibt. Die Autorin gibt somit einen sehr interessanten Einblick in den Erinnerungs- und Schreibprozess. Zwei kurze Texte, die in gewisser Weise auch eine Fortschreibung des Hauptteiles darstellen, sowie der bereits angesprochene Bildteil runden das Werk ab.

Das Buch wurde sehr großzügig gestaltet. Liebevoll hat die Verlegerin Simone Stephanie Klein das Buch gerahmt. Der großzügige Bildteil ist ein schönes und schön anzuschauendes Dokument einer Wiener Familiengeschichte und der damit verbundenen Zeitgeschichte. Maria Gornikiewicz legte mit „Auferstehung“ ein Stück Wiener Alltagskultur und Frauengeschichte aus einer Zeit vor, die wir in vielen Fällen nur mit dem großen „Österreich ist frei“-Datum versehen.

maria Gornikiewicz im read!!ing room
Maria Gornikiewicz bei einer Lesung im read!!ing room

Zur Autorin

Maria Gornikiewicz, geboren in Wien im Jahre 1943, arbeitet als Schriftstellerin, freie Journalistin und Fotografin. Sie ist in vielen Genres zu Hause: Kurz-Prosa und Erzählungen, Romane und Essayhaftes stehen ebenso auf Ihrer Bibliographie wie Arbeiten für den Rundfunk, Hörspiele und Kinder-Bücher. Gornikiewicz gehört dem „Österreichischen Schriftsteller-Verband“ und weiteren Literatur-Vereinigungen an. Ihre Valerie-Serie erschien in der Bibliothek der Provinz. Letzte Veröffentlichung: „Auferstehung“ in der Edition Libica.

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Auferstehung von Maria Gornikiewicz

ISBN 978-3-903137-28-8
80 Seiten | s/w mit Bildteil
Hardcover mit Fadenbindung
€ 18,60 www.libica.org

Eine Buchpräsentation findet am 21. August 2020 um 18.00 Uhr im read!!ing room – Raum für (Alltags)kultur statt. Adresse: Anzengrubergasse 19/1 1050 Wien

www.readingroom.at

Veröffentlicht in Allgemein

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