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Ein literarischer Spaziergang mit der einen oder anderen Hommage: Peter Campa las Kurzgeschichten

Will man sich alle historischen und zeitgeschichtlichen Details merken, die Peter Campa in seine Kurzgeschichten verpackt, muss man schon mitschreiben. Es war also nicht Unaufmerksamkeit, sondern der Wunsch viele Informationen zu notieren, der mich zu Tablet und Stift greifen ließ. Aber dieses technische Detail ist eigentlich belanglos, vor allem, wenn die sommerliche Hitze und der Baustellenlärm Wien-Margareten heimsuchen und Franz-Josef Heißenbüttel, der im Zentrum der Kurzgeschichten stand, es kaum in seiner Wohnung aushält. Nur zu gut, dass der Schreiberling dieser Zeilen auch diese Situation nachvollziehen kann.

Literarisches und Literaturgeschichtliches

Peter Campas Kurzgeschichten rund um Franz-Josef Heißenbüttel, den ehemaligen Mitarbeiter von Manner, dessen Hund/Freund Farkas sowie um den ÖBB-Pensionisten Friedrich Kudrna sind absolut nachvollziehbar und das im besten Sinn des Wortes. Peter Campa lässt seine Figuren durch die Stadt streifen. Die Begebenheiten, die den Figuren dann passieren, dienen als Anlass für kleine Ausflüge in die Stadtgeschichte und haben – so wie der bereits erwähnte sommerliche Baustellenlärm – einen sehr hohen Wiedererkennungswert.

Diesmal verschlug es Franz-Josef Heißenbüttel in den 6. Bezirk auf die Gumpendorfer Straße ins Antiquariat „Bücher-Ernst“. Der Erzähler nahm die Gelegenheit wahr und schmökerte herum. Eine Ausgabe von Peter Altenberg war Anlass zu einer Liste jener Autor/innen und Musiker/innen, die ihre Geburtsstadt als Pseudonym verwendeten. Im Falle von Peter Altenberg, war es jedoch nicht die Geburtsstadt, sondern der Rufname und Wohnort seiner Jugendliebe Berta Lecher, was im anschließenden Gespräch geklärt werden konnte. Genau das ist eine der Dinge, die ich am read!!ing room so liebe: Autor/innen und Zuhörer/innen geben sich Feedback, bringen sich weiter, diskutieren in einer sehr amikalen Runde. Der Exkurs führte auch zu Theodor Ottawa, der weniger mit Ottawa, aber umso mehr mit Wien zu tun hatte. Mit seinen Wiener Spaziergängen, die bereits 1947 erschienen, richtete er eine Liebeserklärung an die Stadt Wien. Ottawa, der etwas in Vergessenheit geraten ist, war ein begnadeter Satiriker und Drehbuchautor.

Heldenplatz und Essay

Fließend gestaltete sich der Übergang zu Franz-Josef Heißenbüttels Betrachtungen zum Thema „Heldenplatz“, die dann irgendwann bei David Bowies „Heroes“ endeten. Gerade in dieser Passage zeigte Campa seine Stärken. Er ist in der Lage Kurzgeschichte mit Essay und Zeitgeschichte auf einfachste und leichteste Art und Weise zu verbinden – und baut Ereignisse und Alltagsgeschehnisse in seine Texte ein. S0 ließ er seine Figur auch einen Abstecher nach Speising machen. Die „Lynkeusgasse“ lag da irgendwie auf dem Weg und so verband Campa nicht nur die wichtigsten Daten zu Josef Popper-Lynkeus mit der Rahmenhandlung, sondern aktualisierte den Sozialphilosophen spielend, indem er seine Ideen („Allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage“ aus dem Jahr 1912) mit der aktuellen Debatte um die Grundsicherung/Grundeinkommen in Österreich und dem Experiment in Finnland verband, nicht ohne zum Schluss die mittlerweile legendäre Geschichte um einen Straßenbahndiebstahl in Rodaun zu erwähnen.

„Du kleines Arschloch“ als Ausgangspunkt für eine Hommage zu wählen, ist auch nicht ganz alltäglich. Aber im Falle von Freibord-Mitbegründer, Kaffeehausliterat und Beruf(ungs)querulant Hermann Schürer ist dies nur legitim, vor allem weil er – dem Einvernehmen nach – seine Bekannten in dieser Tonlage begrüßte. Campa bezeichnete Schürer als einen Vorkämpfer der österreichischen Pressefreiheit.

Eine neue Figur

Fans und Kenner/innen der Kurzgeschichten von Peter Campa staunten nicht schlecht über den Einzug einer neuen Figur: Der „Czerny-August“, der offenbar über eine derartig schlechte Aussprache und Artiklulation verfügt, dass aus einem „Lehmofen“ schon mal ein „Leimaffe“ werden kann, ist eine Figur mit Potenzial. Heißenbüttel traf Czerny bei seinem Streifzug durch Speising. Der Czerny-August war eigentlich Stammgast im „Café Industrie“, das mittlerweile auch seine Pforten geschlossen hat – und somit von Campa ein stückweit verewigt wurde. Czerny zeichnete sich neben seiner undeutlichen Aussprache, durch die Tatsache aus, dass er offensichtlich ein Schnorrer war und gerne die Bierreste aus den Gläsern austrank. Es sind Originale wie der Czerny-August, die auch einen guten Teil der Geschichten Peter Campas ausmachen.

Der letzte wichtige Pfeiler im Universum des Peter Campa sei noch kurz erwähnt. Auch bei dieser Lesung zeigte Campa erneut, dass er ein Chronist der 70er und 80er Jahre ist. So erinnerte er an das Jazz-Cafe Einhorn in der Joanelligasse im 6. Wiener Gemeindebezirk Mariahilf, das von Uzzi Foerster, einer Wiener Jazzlegende, betrieben wurde. Uzzi Foerster war der jüngere Bruder des berühmten Kybernetikers Heinz von Foerster und ein Wiener Original, das maßgeblichen Einfluss auf die Wiener Aktionismus-Szene ausübte. Campas Verdienst ist es das besondere Flair aufscheinen zu lassen, als Wien langsam aus dem Dornröschenschlaf erwachte, als die (Literatur)Szene von Originalen bevölkert wurde und „Ganz Wien“ gegen die Heurigenmentalität aufbegehrte. Er berichtet aus einer Zeit, die erst  30 bis 40 Jahre vergangen ist und doch so weit entfernt scheint. Auch das machen die Kurzgeschichten von Peter Campa aus.

 

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