Silvia Waltl las aus neuen und alten Texten und nahm die Zuseher/innen auf eine Reise durch einen abwechslungsreichen Sommer mit
Silvia Waltl begann ihre Lesung mit spannenden Ausführungen zu ihrer Wahlheimat Berlin und dem Wannsee, der ja quasi die Badewanne der deutschen Bundeshauptstadt ist. Sie erzählte, dass der Stand am Wannsee durch künstliche Sandaufschüttungen mit Ostseesand aus Travemünde erschaffen wurde. Dadurch holte sie nicht nur die Zuschauer/innen ins sprichwörtliche Boot, sondern stellte auch den ersten Bezug zu ihrem Text „Stadtsommer“ her.
„Stadtsommer“ ist ein Gedicht, das von Simone Stefanie Klein bereits vertont wurde und die wunderbare Zeile „Die Höfe atmen durch Kiemen aus Gras“ beinhaltet. Die Komposition der Texte, die Silvia Waltl las, hatte eine innere Dramaturgie. Nach dem eher allgemeinen „Stadtsommer“ folgte, das Gedicht „Haltewunsch“, das die Zuhörer/innen auf eine Zugreise mitnahm und die einzelnen Landschaftsbilder, die während einer solchen Reise vorbeirauschen, fragmentarisch wiedergab.
Die nächste Station war dann „Am See“. Der Text arbeitete mit synästhetischen Metaphern aus der Musik. Mit „Kokon“ präsentierte Silvia Walt einen eigens für die Lesung geschriebenen Text, in dessen Zentrum die sommerlichen Badefreuden stehen. Das lyrische Ich des Textes hebt einen ganz alltäglichen Tag im Seebad auf eine verdichtete und poetische Ebene, auf der selbst die Brotzeit aus dem Tupperwarebehälter in eine sprachliche Schönheit gekleidet wird, die so ein alltäglicher Gegenstand nicht vermuten lässt. Das lyrische Ich verarbeitet Erinnerungen – wahrscheinlich Kindheitserinnerungen – (Indiz ist das Eis für 10 Schilling) zu einem Tag am See. Wäre nicht dieser eine Hinweis, so könnte der Text auch im Hier und Jetzt spielen, eine gewisse Zeitlosigkeit atmend. Der Kokon steht für den Schlaf, der die Erinnerungen bewahrt und uns sanft einhüllt. „Kokon“ stach für mich heraus, da er im Gegensatz zu den vorhergehenden Texten, mit einem expliziten Ich arbeitete.
Der Strand hat mir einen Korb gegeben
Silvia Waltl schloss einige Gartentexte an. Der titelgebende Text der Lesung, „Der Strand hat mir einen Korb gegeben“, entstand an der Ostsee. Die ironisch wirkende Titelzeile bekam einen salzigen Beigeschmack und verlor jeglichen Wortwitz, was ein sehr interessanter Bruch ist.
Die „Testbilder“ waren die zweite sommerliche Erinnerungsreise des Abends. „Testbild“ ist dabei eine klare Metapher für eine längst vergessene Zeit, eine Zeit in der Brausepulver noch eine Sensation war und das Fernsehprogramm noch keine 24-Stundenberieselung kannte. Der Ton der „Testbilder“ war durchaus nostalgisch.
Silvia Waltl schloss die Lesung mit „Am frühen Morgen“ ab. Auf einmal waren wir mitten im Herbst. Die moderne Sage beschreibt, wie der Mond aus einem Baum gerettet werden muss und ist gleichzeitig eine Anspielung an René Magrittes Bild „16 September“, das 1957 entstand. So schloss sich der Kreis und mit dem Ende des Sommers und dem beginnenden Herbst, war die Autorin auch vollends bei der Malerei gelandet.
Abgerundet wurde die sehr schöne Lesung durch einen gemütlichen Ausklang in der Kühle des „read!!ing room“, bei der auch die Frage, wie man maurische Mauerbögen in der Crema eines Espressos erkennen kann.
Kommentare