Gleich zwei Veranstaltungen konnte der read!!ing room am 10. und am 12. April auf die Agenda setzen.
Kulturstammtisch im Café Wortner
Der große Tisch im Nebenzimmer des Café Wortner ist mittlerweile ein lieb gewonnener Platz und diente als perfekter Ort für unseren ersten Stammtisch. Etliche Stammgäst*innen und Kulturarbeiter*innen folgten der Einladung und tauschten sich in angeregten Gesprächen über alle möglichen Themen aus.
Aber auch der Vernetzungsgedanke wurde durchaus befördert. Neben dem read!!ing room als Veranstalter besuchten die Edition libica, die Edition Winkler-Hermaden und die Theaterpädagogin, Coach und Märchenexpertin Sigrid Beckenbauer und gaben Auskunft über laufende Projekte und die aktuellen Arbeiten. Es war ein wunderbarer, spannender Abend mit vielen intensiven Gesprächen bei dem auch durchaus der Kulinarik des Café Wortner gefrönt wurde.

Kulinarik der anderen Sorte: Wiener Lust
Zwei Tage später. Treffpunkt Josefsplatz in der Wiener Innenstadt. Für die Führung „Wiener Lust“ konnten wir Christa Bauer, eine ausgewiesene Expertin und Stadtführerin, gewinnen. Der Treffpunkt war, wie alle weiteren Stationen, wohl überlegt. Der Monarch war kein Kostverächter und pflegte regelmäßige Besuche am damals mehr als verruchten Spittelberg. Noch heute erinnert eine Tafel im Haus Gutenberggasse 13 (ehemaliges Gasthaus „Witwe Bolte”) an den Monarchen und ein denkwürdiges Ereignis: „Aus diesem Thor im Bogen ist Kaiser Joseph II. geflogen.”
Überhaupt spielten die Habsburger*innen eine wichtige Rolle. Sei es die Geschichte um Kaiserin Sissi, die gewissermaßen als „Kupplerin“ zwischen ihrem Gemahl und Katharina Schratt fungierte, die wahre Geschichte um Mary Vetsera und Kronprinz Rudolf oder den stadtbekannten jüngsten Bruder des Kaisers Luziwuzi, der bei seinen Liebeseskapaden etwa in der heute noch existierenden Sauna „Kaiserbründl“ in der Weihburggasse durchaus den einen oder anderen Skandal verursachte, was seiner Beliebtheit beim Wiener Volk keinen Abbruch tat.
Wien ein Sündenpfuhl seit der Römerzeit
Aber auch das gemeine Volk konnte in Wien zu jeder Zeit dem „amor carnalis“ (Fleischeslust) frönen. Die alten Römer sorgten für einen sehr regulierten Umgang mit der käuflichen Liebe mit eigenen Hinweisen, Preistafeln und eigenen Münzen, die exklusiv in Bordellen im ganzen Reich eingesetzt werden konnten (was nebenbei das Steuersystem vereinfachte).
Im Barock galt Wien als Hochburg der (Ge)lüste. Oder wie Christa Bauer sich ausdrückt:
„Vor allem im Barock stand Wien für Sinnesfreude, Lebenslust und erotische Erfüllung. Nach außen hin gab man sich fromm und keusch, aber wenn man den zeitgenössischen Berichten glauben darf, war Wien damals der reinste Sündenpfuhl. Eine adelige Ehefrau mit einem Liebhaber galt als selbstverständlich, Männer hielten sich ans Hauspersonal oder an die „Grabennymphen“.
Auf den Bastionen und in den Vorstädten blühten die Winkelbordelle – illegal natürlich, denn nach außen gab sich die Stadt fromm und keusch. Die totale Lüsternheit hat alle Gesellschaftsschichten erfasst, somit natürlich auch die höchsten Kreise am kaiserlichen Hof.“












Prostitution
Dabei zeigte sich Wien auch im Umgang mit der Prostitution mal mehr mal weniger progressiv. Die Einführung des Deckels zur Zeiten der Weltausstellung (heute bekannt als „grüne Karte“) war mit Sicherheit ein Meilenstein – und absolut notwendig, da Geschlechtskrankheiten grassierten. Was jedoch konstant über die Jahrhunderte blieb: die Doppelmoral der Wienerinnen und Wiener. Ein Beispiel aus der aktuellen Legislatur: Der Straßenstrich ist mehr oder weniger verboten, außer in eigenen Erlaubniszonen, die vom Gemeinderat „empfohlen“ wurden…
Die Führungen von Christa Bauer sind lehrreich, spannend und unterhaltsam. Allerdings blieb auch diesmal die etwas bittere Erkenntnis: Der Mensch lernt gar nicht so viel aus seiner eigenen Geschichte…
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