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read!!ing room Adventskalender 2023

“Vorfreude auf Weihnachten” von Joachim Ringelnatz

Ein Kind – von einem Schiefertafel-Schwämmchen
Umhüpft – rennt froh durch mein Gemüt.

Bald ist es Weihnacht! – Wenn der Christbaum blüht,
Dann blüht er Flämmchen.
Und Flämmchen heizen. Und die Wärme stimmt
Uns mild. – Es werden Lieder, Düfte fächeln. –
Wer nicht mehr Flämmchen hat, wem nur noch Fünkchen glimmt,
Wird dann doch gütig lächeln.

Wenn wir im Traume eines ewigen Traumes
Alle unfeindlich sind – einmal im Jahr! –
Uns alle Kinder fühlen eines Baumes.

Wie es sein soll, wie’s allen einmal war.


Adventkalender 1

“Punschlos Glücklich” von Christian Schwetz

Du hast drei Pünsche frei, sagte die gute Fee.
Ich will gern groß und stark sein, sagte Herrn Müllers Sohn,
und trank den Apfel-Zimt-Punsch.
AHHH, brüllte er, weil er sich die Zunge verbrannt hatte.
Da rannten die Taschendiebe davon, weil sie sich vor ihm fürchteten,
und ließen die Handtasche der Prinzessin fallen.
Die Prinzessin bedankte sich mit einem Kuss auf die linke Wange von Herrn Müllers Sohn.
Ich will gern gescheit sein, sagte Herrn Müllers Sohn
und trank den Vanillekipferl-Punsch.
Der Punsch stieg ihm zu Kopf und er rollte die Augen.
Die Detektive, die der König seiner Tochter hinterher geschickt hatte,
fühlten sich ertappt und verarscht und ergriffen fluchend die Flucht.
Die Prinzessin bedankte sich mit einem Kuss auf die rechte Wange
von Herrn Müllers Sohn.
Ich will, ich will, will, will, lallte Herrn Müllers Sohn.
Die Prinzessin hatte Angst, er würde ihr den heißen Weihnachtspunsch über
die Finger gießen, weil seine Hand so zitterte.
Sie nahm ihm den Punsch aus der Hand und trank ihn selber.
Dann brachte sie Herrn Müllers Sohn zu sich nach Hause,
und nachdem sie ihren Rausch ausgeschlafen hatten,
lebten sie glücklich bis zum nächsten Weihnachtsmarkt.


Adventkalender read!!ing room 2023

“Ein Schneemann erzählt” von Karin Vouk

Gestern hat es in Wien geschneit. Alleine dieser Tatsache verdanke ich meine Existenz. Mein Pech ist nur, dass ich ausgerechnet von Kindern in Wien gebaut wurde. Na gut, ich hätte es noch schlechter treffen können. Hier in einem der Außenbezirke habe ich zumindest eine geringe, aber fast sichere Lebenserwartung von einigen wenigen Tagen. Man stelle sich vor ich wäre z.B. am Heldenplatz gebaut worden. Ja, dort wäre ich schon ein Held wenn ich nur wenige Stunden überleben würde. Nach kürzester Zeit wäre ich ganz grau, Salz würde mich von unten nach oben auffressen und Touristen über meine letzten Reste trampeln. Habe ich alles schon mal erlebt. Was die wenigsten nämlich wissen ist, dass wir Schneemänner zwar aus zufälligen Schneeflocken zusammengebaut werden, aber wir uns an unsere früheren Existenzen erinnern können. Wie genau das funktioniert, weiß ich allerdings nicht. Ich existiere ja nie lange genug um das genau zu erforschen.

Letztes Jahr hatte ich großes Glück, ich wurde nämlich in Tirol gebaut. Woher ich das weiß? Ich stand neben einer Skipiste und habe neben einigen Fetzen Tirolerisch auch jede Menge deutsche und holländische Wörter aufgeschnappt. Wo genau ich war, weiß ich allerdings nicht, auf der Seilbahn über mir war zwar ein Schriftzug, aber entziffern konnte ich ihn auf die Entfernung nie. Krisensicher war das und wie auch noch. Die Tiroler werfen, kaum ist es kalt genug die Schneekanonen an.


Damit werden nicht nur die Pisten präpariert, nein es bleibt auch immer etwas für uns Schneemänner übrig. Die Kinder bauen uns daher nicht nur einfach, sondern bessern uns auch immer wieder aus und stellen oft mehrere von uns nebeneinander. So entstehen manchmal ganze Gruppen von Schneemännern. In der Nacht werden zwar oft unsere Karottennasen durch Wildtiere weggeknabbert, aber dafür können wir uns dann auch fast in Ruhe unterhalten.

So habe ich auch schon viel von den anderen Leben der Schneemänner erfahren. Einer davon hat mir erzählt, wie er in einem Garten eines kleinen Mädchens von dieser gebaut wurde. Wie sie ihn wochenlang angestrahlt und immer wieder verschönert und umgezogen hat. Einzig vor dem Hund des Hauses hat ihm geekelt. Der hat ihm nämlich immer auf die Beine gepisst. Den Ekel konnte ich gut verstehen, denn auch meine Beine wurden, als ich am Heldenplatz stand immer wieder angepinkelt.

Aber nun zurück zu meiner aktuellen Existenz. Ob ich es heuer schaffe bis Weihnachten durchzuhalten? So hart wie mein Kern durch die tiefen nächtlichen Temperaturen ist, könnte es sich ausgehen.

Ob man mich dann neu anzieht, wenn ich es schaffe? Weil festlich sehe ich ja jetzt gar nicht aus, mit meiner Karottennase, den dreckigen Steinen als Augen und dem mottenzerfressenen Schal. Ob auch ich mir was vom Christkind wünschen darf? Wenn ja dann wünsche ich mir:

Einen Christbaumspitz als Nase
Zwei kleine Glaskugeln als Augen
Und so eine neumodische LED-Lichterkette als Schal.

Liebes Christkind bitte bitte, ist ja auch in deinem Interesse, dass ich dem Weihnachtsmann Konkurrenz mache. Ich wünsch dann auch allen die an mir vorbeigehen, in aller Stille, frohe Weihnachten.