Eine weihnachtliche Zeitreise vom Theater Akzent zum Belvedere
„Oida Mau, du bist scho 100 Joa | dazöh ma wia des woa Weihnachten…“ Diese Zeilen aus Georg Danzers bekanntem Weihnachtslied waren der Leitsatz für unsere Kult.tour durch das winterliche Wien. Das Datum am 5. Dezember war gut gewählt. Es gibt schlechtere Kalendertage als dem Krampustag um über Sitten, Gebräuche, volkskundliche Themen und die eine oder andere Skurrilität rund um den Advent zu sprechen.
Der read!!ing room lud zu einem besonderen Spaziergang ein, der die Entwicklung der Wiener Weihnachtstraditionen nachzeichnete.

Vom Theater Akzent zum St. Elisabethplatz
Die Tour startete beim Theater Akzent, wo die Gruppe zunächst in die Themen Advent und Weihnachtsfeiertage eingeführt wurde. Da sich in der unmittelbaren Nachbarschaft die Botschaften von Rumänien und Spanien befinden, wurde auch auf kulturelle Besonderheiten dieser Länder hingewiesen. Der St. Elisabethplatz bot mit seinem schönen Weihnachtsbaum vor der St. Elisabethkirche einen ganz besonderen Rahmen für Ausführungen über den Christbaum und den Adventkranz, die – tatsächlich – über das protestantische Deutschland ihre Verbreitung in Wien gefunden haben.
Besonders interessant war die Erkenntnis, wie sehr der Advent als Wirtschaftsmotor für Wien fungiert – der „goldene Sonntag“ , jener verkaufsoffene Adventsonntag der zwischen 1893 und 1960 eine jahrzehntelange Tradition war, wurde als Paradebeispiel für die moderne Kommerzialisierung der besinnlichen Zeit diskutiert.

Durch die Karolinengasse: Krampus, Nikolo und mystische Bräuche
Auf dem Weg zur Karolinengasse richtete sich der Fokus auf die Figuren, die die Adventzeit prägen. Krampus und Nikolo wurden eingehend beleuchtet. Dazu gesellte sich das Christkind als typisch österreichische Geschenkebringerin, deren Rolle sich deutlich vom amerikanischen Santa Claus unterscheidet und das den Nikolo in seiner ursprünglichen Darstellung als Geschenkbringer abgelöst hat.
Volksbräuche wie die Andreasnacht und die heilige Barbare fanden ebenfalls Erwähnung. Die Andreasnacht, in der junge Frauen traditionell ihren zukünftigen Ehemann im Traum sehen sollten, und die Barbarazweige, die am 4. Dezember geschnitten werden und zu Weihnachten blühen sollen, zeigten eindrücklich, wie stark auch das alte Wien von mystischen und abergläubischen Traditionen durchzogen war.
Anwesenheitstatus: Weihnachten in Wien
Auch historische Zeitungsmeldungen kamen nicht zu kurz: Amüsante Berichte darüber, welche „Hochwohlgeborenen“ während der Feiertage in Wien verweilten, gaben einen Einblick in die gesellschaftlichen Strukturen des alten Wien und zeigen, wie sehr Weihnachten auch eine Frage des sozialen Status war.
Natürlich wurden auch weitere Themen angesprochen: Etwa die Weihnachtskarte, die in England 1843 erfunden wurde, aber auch das Thema der Suizide zu den Feiertagen spielte eine Rolle. Die Suizidrate sei in der Weihnachtszeit am höchsten. Dieser Mythos ist schon oft postuliert worden und wurde durch etliche Studien widerlegt. Die Weihnachtsfeiertage verzeichnen deutlich weniger Suizide, als der Durchschnitt des gesamten Jahres. Der Eindruck verfestigt sich jedoch aufgrund der Berichterstattung und der Tatsache, dass die Suiziddrate mit Jahresanfang wieder deutlich steigt.
Als letztes wurde die Weihnachtsamnestie angesprochen. In den Jahren 2015 bis 2020 wurden zwischen 14 und 19 Personen „amnestiert“. In den letzten Jahren wurden weniger Gnadengesuche gestellt. Die Anzahl er Weihnachtsamnestien waren meist einstellig. Dies liege an den verstärkten Diversionen und der Möglichkeit der Fußfessel.
Finale am Weihnachtsdorf Belvedere
Den Abschluss bildete der Besuch des Weihnachtsdorfs beim Belvedere, wo die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die besprochenen Traditionen unmittelbar erleben konnten. Vor der prächtigen Kulisse des barocken Schlosses wurde deutlich, wie lebendig diese Bräuche bis heute sind – auch wenn sie sich im Laufe der Zeit gewandelt haben.
Die Kult.tour des read!!ing room verband historisches Wissen mit der unmittelbaren Erfahrung der Gegenwart: Weihnachten in Wien ist weit mehr als Punsch und Glühwein – es ist gelebte Geschichte.
Der read!!ing room wünscht allen Menschen einen wunderbaren Jahresausklang und nur das Beste zum Jahreswechsel.
Eindrücke von der Tour








Tolle Tour mit vielen neuen Erkenntnissen zu den „österreichischen“ Traditionen. Unterhaltsam und lehrreich wie immer. Dankeschön 🙂
Es war uns ein Fest mit Laternenbeleuchtung. Schön, dass ihr uns begleitet habt.